Seniorenkolumne Teil 5

65 Jahre mit angeborenem Nystagmus: Die Seniorenkolumne von Robert*

Selbstbewusstsein und Augenarzt-Frust

Mit meiner Partnerschaft stieg auch mein Selbstbewusstsein. Gut, beruflich lief auch alles gut. Mein Karriereziel rückte näher, leider musste ich mich immer „hochkündigen“, d. h. für den nächsten Karrieresprung war wieder ein Stellenwechsel angesagt. Hing es mit dem Nystagmus zusammen, dass man mir, wenn man mich erst kannte, nicht eine höhere Stelle zutraute? Fachlich war ich immer gut.

Jedenfalls war ich inzwischen auch Ausbilder, leitete nebenbei Kurse bei Volkshochschulen und privaten Bildungsinstituten in Buchhaltung, Bewerbungstraining und EDV. Ich vermittelte auch zwischendurch mal nebenbei Versicherungen, was wirklich nicht meinem Naturell entsprach. Ich wollte immer meine Grenzen kennenlernen. Was kann ich mit meinem Nystagmus, wie komme ich bei anderen an?

Mit dem Stellenwechsel war meistens ein Umzug verbunden und die Suche nach einem neuen Augenarzt. Der Sehtest wurde häufig von einer Helferin durchgeführt. Die erste Frage des Arztes war meistens, ob ich einen Führerschein besitze? Von der Aussage wie „ist aber hart an der Grenze“ bis hin, ich solle doch mal wieder zur Uniklinik gehen und mein Gutachten überprüfen lassen, waren die Aussagen für mich meist daneben. Immer wieder ein psychischer Rückschlag für mich. Erst 1983 lernte ich nach einem weiteren Umzug einen Augenarzt kennen, der sich wirklich auskannte. Er war der erste, der mich darauf aufmerksam machte, dass man bei Nystagmus nicht das eine Auge verdunkeln darf. Dann verstärkt sich der Nystagmus. Man darf das Auge „nur vernebeln!“ Also nahm er sich die Zeit, verstellte sein Gerät so stark, dass man mit dem nicht getesteten Auge zwar nichts mehr erkennen konnte (also starkes Plus oder Minus), aber immer noch genügend Licht einfiel und siehe da, meine Testergebnisse stiegen um einiges, an manchen Terminen über die Jahre bescheinigte er mir sogar bis zu über 80 % Sehleistung. Er nahm sich wirklich sehr viel Zeit. Wer nimmt sich soviel Zeit und hat die Erfahrung? – Das sollte jeder mit Nystagmus für sich beurteilen, ob das bei seinem Augenarzt der Fall ist. Ich kann nur jedem raten, bei einem Sehtest, den Augenarzt auf dieses Phänomen aufmerksam zu machen, dass bei Abdeckung eines Auges der Nystagmus sich verstärkt. Wenn der Augenarzt das nicht akzeptiert oder einfach abtut, ist es höchste Zeit sich einen neuen zu suchen. Ich war jetzt 25 Jahre bei diesem Arzt, leider ging er im letzten Jahr in Ruhestand und ich war noch nicht bei seinem Nachfolger.

Demnächst steht mal wieder ein turnusmäßiger Augenarzttermin an. Ich habe noch nichts über den Nachfolger meines Augenarztes gehört, weder positives noch negatives. Trotzdem habe ich die Befürchtung, dass es wieder Probleme geben kann. Auch wenn ich nicht den Eindruck habe, dass sich mein Sehvermögen verschlechtert hat oder sich am Nystagmus etwas verändert hat. Naja, ein Test beim Augenoptiker hat sogar ergeben, dass die Kurzsichtigkeit von der Altersweitsichtigkeit langsam eingeholt wird, d. h. die Brille für die Ferne hat sich um bis zu 1,5 Dioptrien verbessert. Trotzdem bedeutet ein Augenarzttermin immer wieder ein Stresssituation für mich.

Fortsetzung folgt.

*Name anonymisiert.