Für unseren Beutel-Designwettbewerb haben wir im Rahmen der Wackeligen Woche 2021 Slogans gesucht. 5 Slogans kamen in die Abstimmung. Ein Slogan, der sehr gut ankam, sorgte ein bisschen für Diskussionen und Hinweise – das wollen wir gerne nutzen, um die Hintergründe des Sehens mit Nystagmus noch besser zu erklären. Der Slogan: “Mit meinen Augen tanzt die Welt“ ist natürlich super formuliert und eingängig. Es kann nur den Anschein erwecken, dass Menschen mit Nystagmus auch immer eine wackelnde Umwelt sehen, was nicht immer der Fall ist. Die Hintergründe dazu erklären wir hier.
Ein Nutzer schreibt z.B.: „Das ist ein großes Missverständnis meiner Umwelt: Meine Welt wackelt nicht, das wahrgenommene Bild ist still, aber eben mit weniger Details oder längerer Suche dieser.“
Im Film „Wie wir es sehen“ sagt ein Interviewter mit angeborenem Nystagmus: „Die Leute fragen mich immer: ‚Bewegt sich alles um dich rum?‘ und es ist ganz wichtig, klipp und klar zu sagen: ‚Nein‘.“
Und das ist der tatsächliche Hintergrund:
Angeborener Nystagmus
Bei angeborenem Nystagmus ist das wahrgenommene Bild meistens still, aber unschärfer. Das liegt daran: Erst nach der Geburt entwickelt sich das Sehen richtig, auch der Nystagmus entsteht erst in den ersten Monaten nach der Geburt, das Gehirn entwickelt sich ebenso noch weiter. Das Gehirn hat also viel Zeit sich im Säuglings- und Kleinkindalter auf die zitternden Augen einzustellen. Der Kopf weiß quasi, dass nicht die Umgebung wackelt, sondern die Augen. Wie wir an anderer Stelle schreiben, brauchen Menschen mit Nystagmus trotzdem länger um zu sehen und können natürlich auch Probleme beim Fokussieren haben. Es gibt auch Menschen mit angeborenem Nystagmus, die die Augenbewegungen und die Unruhe der Augen sehr bewusst wahrnehmen, dass ist trotzdem etwas anderes als eine ständig wackelnde Umwelt, sogenannte Oszillopsie. Es gibt allerdings Betroffene mit angeborenem Nystagmus, die uns schon von Ausnahmen berichtet haben: Zum Beispiel kurze Momente, wenn die Augen noch doller wackeln als sonst üblich. Naomi beschreibt es ganz gut in unserem Film „Unser Blickwinkel“.
Erworbener Nystagmus
Bei Menschen, die den Nystagmus im späteren Lebensverlauf bekommen, ist es anders. Sie haben auch Oszillopsie. Das bedeutet, die Umwelt wackelt ständig, wie stetiger Schwindel nach einer Achterbahnfahrt. Oszillopsie kann man im Gegensatz zur Sicht bei angeborenem Nystagmus simulieren. Dafür gibt es bspw. eine App der Universitätsklinik Sheffield, die du u.a. hier finden kannst. (In dem Film „Unser Blickwinkel“ hat z.B. Christian einen erworbenen Nystagmus.)
Mehr Infos zu angeborenem und erworbenem Nystagmus (englischsprachig): Nystagmus Information Pack, Universitätsklinik Sheffield
Nächstes Jahr bringen wir auch einen deutschsprachigen Ratgeber heraus, der das Wichtigste zu angeborenem und erworbenem Nystagmus erklärt.
Zurück zum Slogan: Keine Sorge! Wir haben schon eine Lösung gefunden, sodass der Slogan zumindest so ähnlich verwendet werden kann, aber die Formulierung etwas anders ausfällt. Und alle Gewinner:innen bekommen natürlich trotzdem ihre Preise!
Redaktion: Hanna Piepenbring