Monika ist 54 Jahre alt und hat einen angeborenen Nystagmus und diagnostizierten Albinismus. Die offizielle Diagnose der Sehbehinderung kam zwar erst viele Jahre später, brachte sie aber letztendlich zu mehr Selbstbewusstsein. Was ein Stock damit zu tun hat und wie Monika mit schwierigen (Lebens-)Situationen umgeht, möchte ich Euch hier erzählen. So viel sei vorweggenommen: Monikas positive Eigensinnigkeit und ihr Mut sind beeindruckend und für uns alle motivierend.
Den ersten Teil über Monika findest du hier.
Zweiter Teil:
Das „Coming-Out“ – Flyer, Stock und Kantenfilterbrillen
Für die detaillierte Auseinandersetzung und um das Krankheitsbild wirklich zu verstehen, hat Monika zu einem ganz besonderen und auch ungewöhnlich wirkenden Mittel gegriffen und damit auch gleichzeitig ihr „Coming-Out“ eingeleitet. Monika hat einen Flyer gemacht und das noch bevor sie die Beratungen beim Blindenbund hatte.
Dieser Flyer war anfangs nur für sie selbst gedacht. Sie hat sich damit verdeutlicht, was es heißt mit Albinismus und Nystagmus zu leben. Etwas später verteilte Monika diesen Flyer auch unter ihren Bekannten und Freunden, um auch bei ihnen für Aufklärung und Klarheit zu sorgen. Die Reaktionen waren dabei sehr unterschiedlich. Einige wollten etwas Offizielles, andere fanden es sehr gut und viele sagten auch: „Ich habe gar nicht gewusst, dass das so schlimm ist.“ Durch die Beratungen beim Blindenbund ist weiteres Wissen in die Flyer eingeflossen. Dadurch wurde es offizieller und fundierter.
Vorstellungsgespräch mit Nystagmus-Flyer
Seitdem nimmt Monika ihren Flyer auch mit zu Vorstellungsgesprächen und das hat Erfolg gebracht. Sie ist Kitaleiterin und hat seit Kurzem eine neue Stelle. Hier brachte sie ihre Flyer mit zum Vorstellungsgespräch und ging offen mit ihrer Situation um. Ich kenne viele, die gerade bei solchen Gesprächen den Nystagmus verschweigen aus Angst, die Stelle nicht zu bekommen. Gerade deshalb ist Monikas Weg motivierend für uns. Voraus ging der Mut, sich selbst mit der Diagnose und den Umständen auseinanderzusetzen. Nun kann sie selbstbewusst und mit fundierten Informationen, die sie in ihrem Flyer zusammengefasst hat, auch der Außenwelt von sich berichten. So wurde sie im vergangenen Jahr eingestellt aufgrund ihrer Zeugnisse und ihrer Kompetenz. Und weder „wegen“ noch „trotz“ ihrer Sehbehinderung. Durch ihren offenen Umgang trifft sie in dieser neuen Kita auf Verständnis und Rücksicht – z.B. kann Monika zusätzliche Pausen machen, wenn sie es braucht.
Sichtbarwerden durch Hilfsmittel
Als Monika sich ihren Taststock holte und damit trainiert hat, ist vieles sogar noch einfacher für sie geworden. Sie akzeptiert jetzt ihre Sehbehinderung und verlässt sich bei Treppen oder auch wenn sie über die Straße geht auf den Stock. „Der Stock ist mein Zebrastreifen“, pflegt sie gerne zu sagen. Der Stock macht ihre Sehbehinderung für andere sichtbar und vereinfacht ihr Leben enorm. Er gibt ihr nicht nur Halt, sondern zeigt Monikas Mitmenschen, dass sie manchmal für Reaktionen und Wege etwas mehr Zeit braucht. Diese Zeit wird ihr zugestanden, wenn sie den Stock als sichtbares Zeichen mit sich trägt. So wurde aus einer unsichtbaren Behinderung ein sichtbares: „So bin ich und das brauche ich“ und spiegelt Monikas Selbstbewusstsein wieder.
Die Kinder in der Kita reagierten auch auf den Stock, aber nicht so wie die meisten Erwachsenen es tun, sondern sie fragten erst einmal neugierig, warum Monika denn mit einem Stock läuft. Monika antwortete lächelnd: „Weil ich sonst stolpere.“ Darauf mussten auch die Kinder lachen und haben das einfach akzeptiert. So sorgt sie auch hier für einen lockeren Umgang, welcher Beziehungen stärkt.
Monika ist nun mit allen Hilfsmitteln und ihrem „Coming-Out“ angekommen und kann jetzt andere Leute ermutigen in die Eigenverantwortung zu gehen und den Menschen zeigen, dass sie es können, auch wenn die Reaktionen und Worte der anderen etwas anderes versuchen zu sagen. (Das macht sie hauptsächlich in ihrer Kita.) Umso mehr freue ich mich darüber, dass sie Teil dieser Galerie ist und auch uns mit ihrem Umgang ein großes Vorbild zu Selbstliebe und Tatendrang ist. Sie brach nicht nur das Tabu ihrer Kindheit, in der über die Sehschwäche nicht gesprochen wurde, sondern widerlegte eindeutig die Annahme „Aus dem Kind wird nichts“.
Werde Teil unserer Nystagmus-Galerie
Hallo, ich bin Eleni und habe seit meiner Geburt einen Nystagmus.
Unter dem Motto „Ich habe einen Nystagmus – du auch?“ lade ich für den Verein Nystagmus Netzwerk e.V. Menschen mit Nystagmus zum Gespräch ein. Wir lernen uns kennen, plaudern über unsere Erfahrungen und im Anschluss daran gestalte ich ein kleines Porträt von dir mit Text und Foto. So entsteht nach und nach eine Nystagmus-Galerie. Ziel der Galerie ist es, Menschen mit Nystagmus einen Raum des Austausches zu bieten und ein Bewusstsein für das Leben mit Nystagmus zu schaffen. Weitere Infos dazu findest du hier.
Text: Eleni Iatridi