Einige von uns haben ihren Nystagmus von Geburt an. Andere erleben erst im Laufe ihres Lebens, dass die Augen plötzlich anfangen zu zittern. In diesen Fällen spricht man von einem erworbenen Nystagmus. Dieser ist in der Regel Symptom einer weiteren Erkrankung.
Heute möchte ich euch von Christian und seinen Erfahrungen mit seinem erworbenen Nystagmus berichten.
Plötzliches Schwindelgefühl beim Autofahren
Bei Christian, einem leidenschaftlichen Handballer und Turniertänzer, setzten vor ein paar Jahren plötzlich nie gekannte Beschwerden wie Schwindel, Gleichgewichtsstörungen und Augenzittern ein. So etwas kommt nie zum richtigen Zeitpunkt. Doch bei Christian setzten die Beschwerden am denkbar unpassendsten Moment ein: Er war gerade beim Autofahren.
Bald zeigte sich, dass die Symptome nicht vorübergehend waren. Vielmehr verstärkten sie sich. So suchte Christian mehrere Ärzte auf, welche leider auch nach verschiedenen Untersuchungen keine Erklärung fanden. Manche hielten ihn sogar für einen Simulanten.
Die Suche nach der Ursache
Als Christian nahe dran war aufzugeben, bestand seine Ehefrau darauf, mit weiteren Untersuchungen der Ursache auf die Spur zu kommen. Ein MRT gab letztendlich Klarheit. Christians Beschwerden wurden verursacht von einem angeborenen Gendefekt, welcher eine Kleinhirnatrophie auslöst.
Bei diesem MRT wurde sichtbar, wie sehr sich das Kleinhirn schon aufgelöst hatte. Es waren fast nur die versorgenden Gefäße vorhanden.
Eine Lösung musste her
Viele von uns würden bei solch einer Diagnose mit Ratlosigkeit reagieren. So erging es auch Christian. Doch nur kurz. Schon rasch erholte er sich von der Ohnmacht und suchte mit mehreren Ärzten nach Lösungen.
Auch wenn die Ursache nicht behoben werden konnte, so fand ein Facharzt eine Möglichkeit, um das Voranschreiten der Krankheit zu verlangsamen. Es ist eine Therapie durch die verlorene Hirnareale, die im Kleinhirn verschwunden sind, jetzt auf das Großhirn umgelagert werden.
Weitere Details der medizinischen Hintergründe gehören in einen Arztbericht. Damit werde ich euch nicht langweilen. Mich beeindruckt Christians Umgang mit seiner Erkrankung und so möchte ich euch nun davon berichten.
Ein neuer Lebensabschnitt beginnt
Sieben Jahre sind seit dem Tag vergangen, an dem Christian beim Autofahren von seinen ersten Symptomen überrascht wurde. Das Autofahren überlässt er mittlerweile anderen. Vielmehr hat er das Spazierengehen für sich entdeckt. Dafür nutzt der ehemalige Turniertänzer heute Rollator und Gehhilfen. Diese machen die Fortbewegung überhaupt erst möglich.
Sein neu erworbener Nystagmus und eine Minderung der Sehfähigkeit auf 30-50% schreckten Christian nicht davon ab, sich weiterhin über die kleinen Dinge des Alltags zu freuen. Dazu gehört das Lesen der Tageszeitung. Auch hier suchte er bewusst nach Möglichkeiten, um mit der veränderten Lebenssituation umzugehen. Eine erste Anlaufstelle hierfür war die Low Vision Beratung, bei der er hilfreiche Anregungen fand.
Low Vision-Beratungsstellen könnt ihr übrigens in mehreren deutschen Städten finden. Sie helfen Menschen mit Sehproblemen dabei, individuelle Lösungen für ihren Fall zu finden. So können sie Hilfsmittel empfehlen oder auch beim Erlernen neuer Techniken helfen.
Konkrete Alltagshilfen bei schwindender Sehfähigkeit
Wenn er etwas lesen möchte, nutzt Christian Vergrößerungen. Wann immer er keine Bücher mit großen Buchstaben parat hat, helfen ihm Lupe und ein Lineal mit integrierter Vergrößerungsfunktion weiter. Zeitunglesen? Auch das geht. Die Lupe macht es möglich.
Mit unerschütterlichem Mut und Hingabe trainiert Christian seine Sehfähigkeit übrigens auch dadurch, indem er immer öfter und länger das Lesen von kleinen Buchstaben übt. Trotz Nystagmus wird dadurch das Sichtfeld nach und nach stabiler.
Aufgeben ist keine Option
Da er aufgrund seiner Gesamtsituation seinen alten Hobbys wie Leistungssport, Tanzen und Musik machen nicht mehr nachgehen kann, geht Christian viel Spazieren. Hierbei zeigen sich oft motorische Schwierigkeiten. Oft fragt er sich dann, was wäre, wenn sich die Beschwerden verschlimmern.
Was immer die Zukunft bringt. Eins ist für Christian sicher: Aufgeben ist keine Option. So wie er bislang seinen Lebensweg meistert, so macht er weiter. Er fasst es so zusammen: „Es ist jeden Tag ein Ausprobieren – Was tut mir gut und hilft mir, um das ganze leichter zu gestalten?“ Ob es um die Muskulatur in den Beinen oder seinem Nystagmus geht, Christian findet mit dieser Einstellung für fast alle Veränderungen eine Lösung.
Werde Teil unserer Nystagmus-Galerie
Hallo, ich bin Eleni und habe seit meiner Geburt einen Nystagmus.
Unter dem Motto „Ich habe einen Nystagmus – du auch?“ lade ich für den Verein Nystagmus Netzwerk e.V. Menschen mit Nystagmus zum Gespräch ein. Wir lernen uns kennen, plaudern über unsere Erfahrungen und im Anschluss daran gestalte ich ein kleines Porträt von dir mit Text und Foto. So entsteht nach und nach eine Nystagmus-Galerie. Ziel der Galerie ist es, Menschen mit Nystagmus einen Raum des Austausches zu bieten und ein Bewusstsein für das Leben mit Nystagmus zu schaffen. Weitere Infos dazu findest du hier.
Text: Eleni Iatridi